Mit der bizarren These von der „Deutschland GmbH“ ist gemeint, dass Deutschland kein Staatsgebilde, sondern nur eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei und die Einwohner nicht den Charakter von Staatsbürgern, sondern von Angestellten hätten. Hintergrund dieser irrigen Behauptung ist der Umstand, dass es tatsächlich eine „Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH“ gibt. Das ist ein Finanzdienstleistungsunternehmen, das vollständig dem Staat gehört. Denn selbstverständlich darf auch die Bundesrepublik Unternehmen gründen und betreiben. Die „Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH“ hat einen ordnungsgemäßen Handelsregistereintrag und sorgt dafür, dass alte Staatskredite abgelöst, neue aufgenommen und überschüssige Gelder am Markt gewinnbringend angelegt werden. Diese GmbH ist ein ausführender Dienstleister des Bundesfinanzministeriums mit klar definierten Aufgaben. Es hat rein praktische Gründe, dass für die Finanzagentur des Bundes eine privatwirtschaftliche Rechtsform gewählt wurde. Sie ist übrigens nicht die einzige GmbH, die sich vollständig im Besitz des Bundes befindet. Wegen des Namensbestandteils „Bundesrepublik Deutschland“ schießen im Falle der Finanzagentur die Verschwörungstheorien ins Kraut.
Der bayerische Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller (AfD) bemüht sich darum, Licht ins Dunkel dieser und anderer Fragen zu bringen. Der Diplom-Volkswirt fragte die Bundesregierung deshalb bereits Ende vorletzten Jahres, ob ihr bekannt sei, was auf der Online-Plattform „Kompany“ stehe. Der Internetseite der Wirtschaftsauskunftei, die nach eigenen Angaben Echtzeitzugriff auf amtliche Handelsregisterinformationen einschließlich hinterlegter Firmendokumente habe, sei zu entnehmen, dass „Deutscher Bundestag/Bundesrepublik Deutschland“ als eingetragene Firma mit „protokolliertem Sitz“ am Platz der Republik 1 in 11011 Berlin unter der Firmenbuchnummer 0833.759.342 in belgischen Registern geführt werde.
Am 11. Oktober 2018 antwortete dem Abgeordneten der Parlamentarische Staatssekretär Christian Lange, dass die Bundesregierung keinerlei Kenntnis darüber habe, welche Daten auf privat betriebenen Plattformen wie Kompany.de enthalten seien. Durch Einsicht in das belgische Unternehmensregister könne jeder feststellen, dass dort das „Unternehmen“ „Deutscher Bundestag“ mit der Adresse „Platz der Republik 1, 11011 Berlin“ eingetragen sei. Der hochrangige Vertreter des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (kurz: BMJV) teilte Hansjörg Müller schriftlich mit: „Den Erläuterungen auf der Webseite des belgischen Unternehmensregisters bzw. der Beschreibung dieses Registers auf dem Europäischen Justizportal kann entnommen werden, dass im belgischen Unternehmensregister nicht nur Unternehmen eingetragen werden, sondern zum Beispiel auch juristische Personen nach ausländischem oder internationalem Recht, die in Belgien einen Sitz haben oder sich kraft der belgischen Gesetzgebung eintragen müssen. Eine Nachfrage beim belgischen Unternehmensregister ergab, dass die Eintragung wegen der Eigenschaft ‚Arbeitgeber‘ vom belgischen Landesamt für Soziale Sicherheit (dieses erhebt und verwaltet die Arbeitgeber- und Arbeitnehmersozialbeiträge) für die Niederlassungseinheit ‚Square de Meeûs 40, 1000 Bruxelles‘ (dies ist die Anschrift des Verbindungsbüros des Deutschen Bundestages in Brüssel) veranlasst wurde.“
Der AfD-Politiker fasste noch einmal nach und wollte wissen: „Kann die Bundesregierung jeglichen Zweifel beseitigen, dass der Eintrag ggf. nicht von amtlicher Stelle erfolgte, also irrtümlicherweise oder in betrügerischer Weise erfolgte, und was gedenkt die Bundesregierung in einem solchen Fall zu tun, um den Urheber zu ermitteln und ggf. strafrechtlich zu verfolgen?“ BMJV-Staatssekretär Christian Lange, der für die SPD seit 1998 dem Bundestag angehört und seit 2014 auch Beiratsmitglied des „Bündnisses für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“ ist, antwortete sich wiederholend, dass eine Nachfrage beim belgischen Unternehmensregister ergeben habe, „dass die Eintragung vom belgischen Landesamt für Soziale Sicherheit veranlasst wurde“. Nachzulesen sind die Fragen Müllers und die Antworten Langes in der Bundestags-Drucksache 19/5155 vom 19. Oktober 2018 unter den Nummern 67 und 68.
Ob die Antworten der Bundesregierung dazu beigetragen haben, den Verschwörungstheorien rund um eine „Deutschland GmbH“ den Boden zu entziehen, lässt sich schwer sagen. Auffällig ist, dass offenbar nach der Anfrage des Abgeordneten der „Firmenstatus“ von „Deutscher Bundestag/Bundesrepublik Deutschland“ bei der Online-Auskunftei auf „gelöscht“ geändert wurde.